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Wird es in unseren Städten zu eng? Nachverdichtung birgt großes Potenzial – bringt aber auch Konflikte

geschrieben am 07.11.2018 von Klaus Peltzer

In immer mehr städtischen Siedlungen versucht man mit Nachverdichtung dem anhaltenden Zustrom der Menschen in die Metropolen in Zeiten akuten Wohnungsmangels zu begegnen. Der noch verbliebene Platz auf innerstädtischen Grundstücken soll optimal genutzt werden. Doch insbesondere Investoren gehen nicht überall mit Augenmaß zu Werke. Vielerorts wird es bereits allzu eng.

Seit zehn Jahren bewohnt Marlies Krüger einen Häuserblock in einem einwohnerstarken Berliner Stadtteil. Gemeinsam mit den 63 anderen Kindern aus dem Block spielen ihre Töchter jeden Tag im grünen Innenhof. Auch die Eltern nutzen den natürlichen Freiraum gern für eine Auszeit vom hektischen Leben im Asphaltdschungel.
Doch damit ist bald Schluss, denn bald wird eine Wohnungsbaugesellschaft drei neue Häuser im Hof errichten, die den bestehenden Häuserblock um ein Stockwerk überragen. Statt auf die alte Eiche im Innenhof wird Marlies Krüger dann auf eine Betonfassade blicken.

So wie ihr geht es derzeit vielen Mietern in Deutschlands Metropolen. In ganz Deutschland wird um-, auf- und neu gebaut, um freie Flächen im Bereich bereits bestehender Bebauung zu schließen. Denn in deutschen Städten fehlen, einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge, 1,9 Millionen Wohnungen.

„Nachverdichtung“ lautet das Zauberwort


Durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen in zweiter Reihe werden vorhandene Bauflächen effektiver genutzt. Bis zu 1.5 Millionen neue Wohnungen sollen die Lücken füllen. Einer Studie der Quantum Research Unit zufolge könnten allein durch Dachaufstockungen 1,1 Millionen neue Wohnungen entstehen.
Grundsätzlich ist das Konzept der Nachverdichtung als „Gebot der Stunde“ keineswegs eine Marotte übereifriger Stadtplaner. Mit Augenmaß durchgeführt, hat die Nachverdichtung in der Innenstadt viele Vorteile: Die neuen Räume müssen nicht strukturell erschlossen werden, die komplette Infrastruktur (Straßen, Strom, Wasser, Telefon, Internet sowie Nahverkehr, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten) ist bereits vorhanden. Auch soziale und kulturelle Angebote fänden verstärkten Zulauf.

Indem sie den Kommunen mehr Spielraum für die Bebauung von Innenstadtflachen einräumt, unterstützt die Bundesregierung das Konzept. Fallstudien hätten gezeigt, „dass städ- tebauliche Nachverdichtung beträchtliches Potenzial für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung birgt, indem sie zur Schonung des Freiraums, zum Schutz des Klimas und zum Erhalt urbaner Lebensräume beiträgt“, heißt es von Seiten des Bundesamts für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR. Nicht überall ist der Lückenschluss vorbildlich, so mancher Neubau ist deplatziert und überdimensioniert und nimmt den bestehenden Häuser- zeilen Licht und Luft. Grüne Oasen schwinden.

Man rückt enger zusammen


Besonders die Bebauung in Hinterhöfen und auf Siedlungswiesen stößt auf Ablehnung der alteingesessenen Anwohner beliebter Viertel, die durch zunehmende Enge um ihre Lebens- qualität besorgt sind. Und der Widerstand wächst. In Städten wie Hamburg sowie Darmstadt, Freiburg und Heidelberg leisten Bürgerinitiativen Widerstand gegen die Bebauung von Grünflächen und Innenhöfen.
Die Anwohner fürchten höhere Mieten, mehr Stress durch Lärm und Verkehr, Platzmangel und soziale Konflikte durch dichtgedrängtes Wohnen. Die räumlich-soziale Verdichtung könnte auch zu einer Gentrifizierung führen: Die Aufwertung eines Stadtteils durch Sanierung oder Umbau hat nicht selten zur Folge, dass die ansässige Bevölkerung durch wohlhabendere Schichten verdrängt wird.
„Die Nachverdichtung der Stadt ist planlos“, kritisiert der Mieterverein Berlin „nicht vorhandene Stadtplanung und laxe Bauvorschriften“. So entstünden allerorten wieder Hinterhofwohnanlagen wie im 19. Jahrhundert, während objektiv viel besser geeignete Verdichtungsmöglichkeiten ungenutzt blieben.

Quellen: baunetzwissen.de, bbsr.bund.de, bau-welt. de, sueddeutsche.de, detail.de, spiegel.de, abend-blatt.de, berliner-mieterverein.de

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